Was bringt Demut dem Unternehmen I?

Teil 7 in der Blogserie: Mit Demut zum Erfolg
Natürlich hat eine demutsvolle Führungskraft schon dadurch Auswirkung auf das Unternehmen, dass die eigenen Mitarbeiter kreativer, leistungsstärker und im Umgang mit den Kunden besser werden, wie wir das in den letzten Beiträgen gesehen haben.
Diese Messungen haben allerdings nur betrachtet, was bei den Mitarbeitern passiert und weniger den größeren Kontext des Unternehmens.
Die Frage ist daher: Was bringt Demut dem Unternehmen als Ganzes? Wir wollen und in diesem und im nächsten Beitrag einmal zwei der positiven Effekte ansehen.

Eine Kultur der Zusammenarbeit

Der erste wirkt nach innen und betrifft die Themen Kooperation und Fehlerkultur. Eine Untersuchung von 105 amerikanischen Unternehmen zeigt, dass Vorstände, die Demut in das Unternehmen bringen, dadurch eine Kultur der Zusammenarbeit schaffen. In solchen Unternehmen sind Mitarbeiter eher bereit, ihr Wissen zu teilen und gar ungefragt auf andere zuzugehen und sich einzubringen.

Das liegt an der Vorbildwirkung von demutsvollen Führungskräften. Dazu ein Beispiel aus meinen Interviews. Der Interviewte kannte Microsoft und wie dort seit 2014 unter dem neuen CEO Satya Nadella gearbeitet wird. Er war beeindruckt von der wertschätzenden Art, in der in Meetings gefragt und gelobt wurde. Wie sehr es folglich Raum für jeden gab, seine Meinung zu teilen und eigene Ideen einzubringen. Und dieses Verhalten, so sagte er, wirkte in keiner Weise aufgesetzt. Zwar inspiriert, gelernt und nachgeahmt, aber nicht automatisiert oder nachäffend, sondern bewusst und ernstgemeint.

So ein Verhalten fördert auch die Bereitschaft über den eigenen Tellerrand zu blicken. Denn wenn ich das größere Ganze sehen kann, wird jedem Mitarbeiterden bewusst, wo und wie er/sie andere beim gemeinsamen Ziel unterstützen kann. Also folgt schon mal eine erhöhte Hilfsbereitschaft. 

Das Vorbild ist ausschlaggebend: So berichtete eine Führungskraft von ihrem allerersten Vorgesetzten, den sie in ihrem Arbeitsleben hatte. Dieser betonte immer wieder, was er in seinen vielen Jahren Berufserfahrung gelernt habe. Nämlich, dass man nur gemeinsam und im Team erfolgreich sein kann. Dass man Demut zeigen muss und offenbaren muss, wenn man Schwierigkeiten hat. Dass man auf andere schauen muss und automatisch reingehen und helfen soll, wenn etwas ansteht. Was bewirkte das bei der Führungskraft? Sie beschrieb sich als jemanden, der ständig auf der Suche sei, wer gerade Hilfe benötigt. Sie sei dafür bekannt, sich immer wieder Dingen zu widmen, die nicht im eigenen Verantwortungsbereich liegen, die aber für das gesamte Unternehmen oder das Team besser sind.

Sie hatte also von ihrem Vorgesetzten den sogenannten "egofreien Blick vom Balkon“ gelernt. Von dort sehe ich das größere Bild, ich sehe aber auch auf mich und die anderen, die um mich herum agieren und erkenne besser, wo sich eine Unterstützung lohnt.

So ist es kein Wunder, dass in Unternehmen, die mit Demut geführt werden, eine bessere Kultur der Kooperation herrscht.

Bessere Fehlerkultur

Stichwort Fehlerkultur: Der zweite große Aspekt des nach innen weisendem Effekt wird auch nicht überraschen. Demutsvoll geführte Unternehmen weisen eine bessere Fehlerkultur auf.

Wir hatten schon in einem früheren Beitrag gesehen, dass Mitarbeitende es wichtig finden, dass ihre Vorgesetzten zugeben, wenn sie etwas falsch gemacht haben. Wenn Führungskräfte das wirklich tun, so ist das auf Dauer ansteckend.

Das hat wieder etwas mit psychologischer Sicherheit zu tun und geht auf die berühmte Forscherin Amy Edmonson zurück, die nicht nur den Begriff von psychologischer Sicherheit geprägt , sondern auch die positiven Effekte davon auf die Fehlerkultur in Dutzenden von Organisationen nachgewiesen hat.

In einem Harvardartikel berichtet sie von den „normalen“ Unternehmen wie folgt: „Wenn ich Führungskräfte bitte abzuschätzen, wie viele der Fehlschläge in ihren Organisationen wirklich tadelnswert sind, liegen ihre Antworten meist im einstelligen Bereich – vielleicht 2 Prozent bis 5 Prozent. Wenn ich aber frage, wie viele als tadelnswert behandelt werden, sagen sie (nach einer Pause oder einem Lachen) 70 Prozent bis 90 Prozent. Die unglückliche Folge ist, dass viele Fehlschläge nicht gemeldet werden und ihre Lektionen verloren gehen.“

Wenn sich Führungskräfte so verhalten, ist es kein Wunder, dass sich niemand traut, Fehler oder Probleme zu melden. Da muss man schon eine andere Kultur vorleben.

Hier passt das Beispiel gut von Alan Mulally, der 2006 von Boeing zu Ford als CEO wechselte. Damals herrschte bei Ford die Angst, ein Problem zuzugeben, für das es keine sofortige Lösung gab. Alan wollte das Thema angehen und gab einen neuen Farbencode vor, in dem seine Top Manager berichten sollten: Grün hieß alles in Ordnung, gelb waren neue Probleme und rot Probleme ohne eine erkennbare Lösung. Wochenlang waren alle Berichte auf grün, was Mulally mit Verwunderung kommentierte, denn irgendwo musste ja der Verlust von 17 Mrd. $ herkommen. Dann passierte es: Der Amerika-Chef Fields hatte ein Problem mit dem neuen Ford Edge. Der Heckklappenantrieb funktionierte nicht. Er stoppte die Produktion und setzte ein Rot in seine Präsentation. Alle Augen gingen zu Boden, Angst ging durch den Raum. Da fing Mulally an zu klatschen.

Diese Klatschen erlöste die Organisation, denn in den kommenden Wochen erzählten die anderen Führungskräfte Schritt um Schritt von ihren Problemen, bei denen sie auch keine Lösung sahen.  Und wie es so oft ist, gemeinsam durchdacht und angepackt gab es dann für fast alle dieser Probleme eine Lösung. In Folge dieser und anderer Veränderungen gelang es Ford ab 2009, wieder in satte schwarze Zahlen zu kommen.

Hinderliche Automatismen unseres Gehirns

Warum fällt es Menschen so schwer, über Fehler zu sprechen? Weil viele auch denken, dass man immer mehr aus Erfolgen und weniger aus Fehlern lernen kann. Dies ist ein Automatismus, der in uns Menschen fest angelegt zu sein scheint. So gibt es eine unglaublich anmutende Forschung, die zeigt, dass Menschen, wenn sie mit anderen ihre Prüfungserfahrung teilen wollen um diese auf eine bevorstehende vorzubereiten einen fundamentalen Fehler machen: So verwenden sie mehr Zeit drauf zu erzählen, bei welchen Fragen sie die Antwort immer noch nicht wüssten als über die Fragen zu sprechen, bei denen sie verstanden hatten, dass sie einen Fehler gemacht hatten. Das heißt, für das eigene Gehirn war es interessanter zu sagen: „Schau mal bei Frage 4 weiß ich immer noch nicht, ob A oder B richtig ist“ als zu sagen „Bei Frage 5 hatte ich fälschlich B gesagt, das heißt ja dann, das A richtig ist.“

Um uns aus diesen Automatismen herauszurütteln, braucht es eine Kultur der Demut. Denn in dieser wird sich jede Führungskraft bemühen, über die eigenen Fehler zu sprechen und anderen das auch zu ermöglichen.

Ein Interviewpartner geriet hier fast in Schwärmen. Er erzählte, dass er bislang in seinem Ressort drei  „Fuck-Up Nights“ durchgeführt hätte, in denen man offen über Fehler gesprochen habe. Da seien „Lichtmomente“ dabei, da „kommen einem fast die Tränen, mit welcher Ernsthaftigkeit, Tiefgründigkeit und Ehrlichkeit Fehler vorgestellt werden und wie intensiv die Leute zuhören.“

So ist der Befund der Forschung eindeutig: Im Umfeld von demutsvollen Führungskräften gibt es eine bessere Fehlerkultur.

Was sind die messbaren Folgen wiederum davon? Es gibt weniger Projekte, die weiterlaufen, obwohl sie schlecht laufen. Das ist das berühmte Problem der sunk costs, was viele Unternehmen Millionen kostet. Wenn ich ein Projekt angefangen habe und dort ordentlich investiert habe, ist es ja ein Eingeständnis eines Scheiterns, wenn ich dieses Projekt beende. Hier sind die meisten Menschen zu furchtsam, sich und anderen das Scheitern einzugestehen und so laufen diese Projekte weiter, oft mit einer permanenten gelben Ampel versehen, aber auch immer mit dem sich zurechtgebogenen Satz, dass sich das doch eines Tages nochmal rechnen wird.

In einer Kultur, die Fehler nicht verdammt; in einer Kultur, in der auch der Vorstand Fehler zugibt, da ist es leichter kundzutun, dass dieses Projekt wohl zu schön gerechnet war und dass man es lieber beenden sollte.

Im nächsten Beitrag spreche ich dann über einen positiven Effekt, der nach außen wirkt. Bis dahin: Schauen Sie doch mal, was es in Ihrem Unternehmen an Kulturwandel bräuchte, um zugeben zu können, dass ein Projekt sich nicht mehr lohnt. Und ob Sie schon stark genug sind, dieses Thema demutsvoll anzugehen.